Chorale Saint-Michel Luxembourg

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Dvorak: Stabat Mater LW

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LUXEMBURGER WORT DU 23 NOVEMBRE 2004   (par André LINK)

Ein gewaltiger musikalischer (Wiederer-) schaffungsakt
Dvořáks "Stabat Mater" unter Leitung von Gerry Welter

Eigentümlich, in welch mysteriöses Reich der Melancholie uns ab den aufsteigenden Oktaven des Beginns (Symbol der Kreuzaufrichtung) Antonin Dvořáks "Stabat Mater" entführt.

Im kompositorischen Schaffen des tschechischen Meisters, der eigentlich nur schöne und bewegende Musik hinterließ, gibt es wohl nichts Gleichwertiges, wie das Programmheft sehr treffend bemerkte.

Das "Requiem", der zweite Gipfel in Dvořáks  sakralen Chorwerken, ist ja viel dramatischer und monumentaler angelegt ...

Wie auch immer, es tat gut, dem blitzsauberen Vorspiel der "Musiciens" zuzuhören, die hier frei atmen konnten, in einem Rahmen dem großen Konservatoriumssaal ‑ der immer noch der einzig adäquate Ort für größere Konzertdarbietungen in diesem Lande ist (obwohl man sich für den Anlass ja eigentlich einen Kirchenraum gewünscht hätte).

An diesem Abend waren Chorale Saint‑Michel" und "Ensemble vocal Cantica" zu einem einzigen homogenen Vokalkörper verschmolzen, den der Mentor des Ganzen, Gerry Welter, fest im Griff hatte. Eingerahmt wurden die Sänger vom luxemburgischen Kammerorchester "Les musiciens" und kurzen, aber stimmungsvollen Orgeleinlagen von Alain Wirth.

Dem Michelschor merkt man seine 150 Jahre nicht an, er ist ein Ensemble, das sich stets von innen heraus zu erneuern weiß und nach wie vor eine jugendliche Frische ausstrahlt, die es ihm erlaubt, Schweres leicht erscheinen zu lassen. Vielleicht ist es ebendiese Ungezwungenheit, die den


Chorverein vom Fischmarkt von anderen Gesangsformationen unterscheidet.

Ganz natürlich strömten die vielen lyrischen Passagen, so das a capella gesungene "Virgo praeclara", das keine menschlichen Artikulationen, sondern Aureolen des Lichts aufwärts zu tragen schienen. Um so überraschender kamen die Crescendi und Unisono‑Fortissimi, so das erratische "Fac", das Gerry Welter wie einen Felsen in das "Eja Mater" mit seinem unerschütterlich fließenden Strom der Trauer stemmte.

Aus dem Strom der Traurigkeit stachen auch die Solisten hervor. Marc Dostert (vielleicht war es nicht sein bester Tag) hatte mit den hohen Noten zu kämpfen, verbreitete aber eine recht selbstbewusste und farblich effektvoll gesättigte Mittellage. Obwohl nicht immer rein im Ansatz, markierte Ursula Dimmer ihrerseits eine starke Präsenz und dominierte den musikalischen Ablauf über weite Strecken, indem sie mit vollem Stimmeinsatz ein Bild wahrhafter Erschütterung und Bestürzung abgab.

Angenehm fiel Jean‑Paul Majerus durch seine entschiedenen, sehr gleichmäßig und geradlinig geführten Bariton‑Monologe (mit Basscharakter und ausgezeichneter Intonierung) auf. Gebieterisch forderte er "Fac ut ardeat cor meum in amando Christum Deum", worauf der Chor etwas eingeschüchtert mit zartem Pianissimo antwortete.

Kurz darauf hatte dieser wieder Kräfte für ein majestätisch aufwogendes "Cordi meo valide" gesammelt, derweil die Orchestereinsätze allerdings etwas ins Wackeln gerieten und die Geigen an ihren unbeirrt korrekten






Strichen festhielten.

Das "Tui nati vulnerati" nutzte der Chor wiederum für eine mühe- und schwerelose Levitation in höhere Gefilde, während das "Fac me vere tecum flere" (der vielleicht schwächste Moment des Abends) genauso ausfiel, wie es der Text besagt, nämlich weinerlich.

Der Dialog zwischen Sopran und Tenor "Fac ut portem Christi mortem" zeigte gute Ansätze, aber auch einige sängerische Defizite. Warum wohl das harmonische Einvernehmen der Holzbläser die Solisten nicht zu mehr Intuition (in diesem Fall Zurückhaltung) zu inspirieren vermochte?

Mehr Zurückhaltung zeigt, wenn erforderlich, Monique Simon, die ihre Höhepunkte in einen Vortrag von bestechender Kontinuität einbindet.

Das in bester Oratorientradition stehende, von pulsierenden Basslinien getragene "lnflammatus et accensus" gestaltete die Mezzosopranistin mit der Schönheit der Stimme und der hoch professionellen Sicherheit des Ausdrucks zu einer zutiefst ergreifenden Klage: schwarz glänzendes Geschmeide in einer schillernden Kleinodiensammlung.

Und da alles, was in seiner Schönheit ergreift, lange zögert, bevor es untergeht, dehnten sämtliche Beteiligten den Schlussteil "Quando corpus morietur" mit seinem beinahe über Gebühr wiederholten Amen durch alle Phasen solistisch‑chorischer und instrumentaler Inbrunst aus. Ein gewaltiger musikalischer Schaffungs‑ und Wiedererschaffungsakt ‑ überdimensional, beinahe übermenschlich. Aber ist das nicht der Sinn der Sache gewesen?


       



  

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Infos:

Prochaine prestation: AllerséileconcertMesse de Minuit le 24.12.2016


(10/2010)

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